Erfahrungsbericht von Pierre Jordaan

Namibia steckt voller Überraschungen, welche sie wann für einen bereit hält, weiß man nie. Was ich aber weiß ist, dass Begegnungen zwischen Menschen und Tier sowie Sonnenuntergänge mit Gänsehaut Effekt immer dazu gehören. Auf Langeweile wartet man vergeblich. Auch meine zweite Herbstreise nach Namibia war spannend. Die Veränderungen welche durch Mudiro, mit ganz viel Herzblut und Arbeit stattgefunden haben sind wesentlich spürbar.

Die Anreise fing in Kapstadt an. Lange Autofahrten kenne ich aus meiner Kindheit, dieses Mal waren die 2300km asphaltiert. Es hatte viel geregnet und die Landschaft war weit und schön und auf lange Strecken, vor allem im Süden, noch unberührt. Es war wunderschön über diese Straße zu fahren und zum ersten Mal wirklich wahrnehmen zu können, wie weit die Landschaft drumherum ist, wie schön das Farbenspiel und die Natur hier in Namibia ist. Oft musste ich ranfahren und innehalten so schön war es. Der Wechsel von kargen und rauem Gestein im Süden am Oranjefluss umrandet von Gras und Felskuppen rauben mir noch immer die Sprache.

Nachdem ich den ganzen Tag unterwegs war und es schon dunkel war, konnte ich auf der Anreise am letzten Abend glücklicherweise bei Sam´s Bed and Breakfast in Rundu übernachten. Die letzten Kilometer waren nämlich die gefährlichsten. Diese Durchgangsstraße in der Nacht zu befahren wäre schon fast lebensmüde gewesen. Große Laster beladen mit Eisen rasen über die Straße, plötzlich ganz unerwartet steht eine Ziegenherde mitten im Weg oder ein Esel. So konnte ich erst Mal die Nacht hier verbringen und morgens Fit bei Tageslicht weiterfahren zum Container.

In Andara wurde ich wie immer von alten Freunden herzlich empfangen, denn hier im Container Dorf fühlt man sich durch die ganze Wärme der Leute sehr wohl.

Im Krankenhaus freut man sich auf Kollegen und auf dem kollegialen Austausch. Was gibt es Neues? Welche neue Zulassung gibt es? Auch für mich ist das ein oder andere Krankheitsbild oder Behandlung unbekannt, entweder verschafft mir das Curriculum Aushilfe oder das Internet tut es 😊 Wir lernen hier alle durchgehend mit und voneinander.

Oft ist auch Lob angesagt für die Andara-Kollegen. Erst grade konnte einer meiner Kollegen nämlich bei einem Patienten eine lebensgefährliche Cryptoccus Meningitis (Hirnhautentzündung) korrekt diagnostizieren und der Patient somit sofort nach Rundu transportiert werden, wo er nun behandelt wird. 

Wir arbeiten und unterstützen uns alle gegenseitig, wo wir können. Letztens ist uns aufgefallen, dass es hier kein Anti Serum gegen Schlangenbisse gibt welche nämlich vor allem im Sommer öfter vorkommen und unbehandelt zum Tod führen können. Das Krankenhaus bekam in Januar 20 Dosen die inzwischen alle gebraucht wurden (in schweren Fällen gibt man ein Doppeldosis.) Zusammen machten wir uns Gedanken über eine Strategie was man tun würde falls jemanden gebissen wurde. 

Nun möchte ich ein wenig expliziter von meiner Zeit hier berichten. 

Beim Stationsbesuch eines Kindes welches Epilepsie hatte und zuerst Intravenös und dann Oral behandelt wurde und kurz vor der Entlassung war, merkte ich das der rechte Arm etwas schwappte und nach innen gedreht war. Wir untersuchten das Kind noch ein Mal und merkten das nicht nur der rechte Arm, sondern die komplette rechte Körperhälfte schwächer ist als die linke war. Es war schnell klar, dass hier eine Hemiparese vorliegt und das Kind nach Rundu ins Krankenhaus gebracht werden muss damit ihr Hirnbereich untersucht werden kann. 

Zwei der vier Wochen verbrachte ich in der Mudiro Academy in welche Ärzte die 4 Tage freigestellt werden und aus bis zu 500km Entfernung zu uns kommen für medizinischen Fortbildung. Natürlich möchte man als Facharzt auch tiefsinnigere und weiterführende Themen behandeln, jedoch ist unser Ziel die Themen/Krankheiten, mit welchen wir hier bei uns tagtäglich zu kämpfen haben anzusprechen und sie somit darauf spezifisch weiterzubilden. 

Die Wochen waren sehr intensiv für mich sowie auch für jeden Arzt, der daran teilgenommen hat. Grade bei einem Thema wie der Nebenwirkungen gewisser Medikamente, zum Beispiel die Blutdruckmedikamenten wurde klar, dass wir hier genau das richtige tun, denn diese Themen sind sehr wichtig und eine vertiefte Schulung sei definitiv nötig für die Ärzte. Denn mit diesen Informationen sowie dem Wissen helfen wir nicht nur den Ärzten, sondern auch jedem Patienten, welcher von ihnen behandelt wird. 

Vor allem die praktischen Beispiele die sie selber lösen konnte fanden grosser Beifall. Nach 3-tägiger Vorlesungen, nächtlicher Vorbereitungen, Auswertungen von Tests, Überreichung des CPD (Continued Medical Development) Zertifikates und einer letzte Austauschrunde mit den Ärzten waren wir alle sehr dankbar, zufrieden und stolz darauf was wir lernen und beibringen durften. Es war eine sehr intensive und anstrengende Zeit, mit ganz viel neuem Input auch für mich, welche ich erst ein Mal sacken lassen muss. Die Ärzte, welche an unserer Fortbildung in der Academy teilgenommen haben, sind nun Mudiro Ambassadeurs, sie werden nun mit neuem Wissen und tieferen Einblicken den anstrengenden Alltag im Krankenhaus besser bewältigen können. 

Mein persönliches Highlight war der Clinic Trip. Holprig ging es die tiefe Landstraße runter, bis wir zu den Kliniken im Mukwe District, südlich der Hauptstraße gelangten. Eine große Überraschung wartete in Shamunaro auf uns, den das ganze Dorf sowie die 250 Schüler und Schülerinnen der Combined School nahmen uns ehrenvoll in Empfang. Die Lehrer und Schüler sassen alle im Schatten, mit Vertreter vom Stammeshaupt und dem Regional Council (Regional Rat). Der ganze Platz war geschmückt, ein großer Kinderchor mit lauter Trommelbegleitung ertönte. In Pausen zwischen der Musik und dem ausdrucksvollen Tanzen der Menschen, leitete der Master of Ceremonies die erste Rede ein, natürlich wortgewandt und strikt nach Programm. Unerwartet hielt ein Schüler der siebten Klasse eine Rede, alles in Englisch natürlich. Die Rede dieses Schülers war eindrucksvoll und hat alle zutiefst berührt und vielleicht, aber nur vielleicht, haben Barbara, Hilde und auch ich die eine oder andere Träne dabei vergossen. Als die Reden dann vorbei waren ging es weiter mit der Musik und dem Tanzen, die Freude in den Gesichtern der Kinder war wundervoll. 

Wichtig zu wissen ist das, bei unserem letzten Besuch 2021 wurde mir und Edi Neuenschwander mitgeteilt, dass es keine siebte Klasse gibt und die Schüler somit nach der sechsten Klasse in ein Internat müssen. Mit unseren oder besser gesagt ihren Spendengeldern, wurde nun ein schönes blaues Klassenzimmer errichtet, in welchem nun die Kinder nach der sechsten Klasse ein weiteres Jahr unterrichtet werden können und somit ein Jahr länger bei ihren Familien sein dürfen. Für den Preis von umgerechnet einem Kaffee pro Tag für ein Jahr lang über welchen wir hier noch nicht mal wirklich nachdenken, konnten Mudiro Bleibendes hinterlassen, nicht nur das Klassenzimmer, sondern auch in den Herzen der Bewohner von Shamunaro. Mudiro konnte mit Ihrer Hilfe diesen Menschen zeigen, dass andere sie um sich kümmern.

EVERY LIFE MATTERS!

Wir alle brauchen manchmal jemanden der uns zeigt, dass wir nicht allein sind. 

Nach den vollen Tagen im Kavango ging es zurück, zuerst nach Windhoek und dann über Kapstadt nach Zürich. Manches scheint auch im Nachhinein unwirklich. Die Begegnung in Shamunaro wird uns alle noch lange beibleiben. 

Auf dem Rückweg nachts als die Straße plötzlich zwei grün-gelb leuchtende Spuren hatte, wo zuvor Millionen Heuschrecken diesen Weg überquerten, da denkt man plötzlich man befindet sich in einem Traum. Was leider wie ein Traum wirkt aber kein Traum ist, ist die Not in Namibia. Was ich aus meinem Aufenthalt gelernt und mitgenommen habe ist, dass jeder der hier mithilft und mitdenkt einen Unterschied machen kann.

Denn auch viele kleine Schritte führen ans Ziel und davon brauchen wir mehr. 

~ Pierre Jordaan