Erfahrungsbericht Edi Neuenschwander: Namibia Mai 2021
Nachdem ich im letzten Jahr, wegen Corona, meinen Einsatz anullieren musste, komme Ich diesen Mai in Windhoek an, früh am Morgen, mit zwei Ultraschallgeräten im Gepäck. Komme aber problemlos durch den Zoll: «my laptop and a donated machine» bringen mich durch, hilfreich war sicher auch die frühe Morgenstunde. Per Taxi am nächsten Tag auf halbem Weg nach Rundu, über schnurgerade Strassen, durch eine endlose, mit Büschen besetzte Ebene, zwischen Rinder- und Wildtierfarmen, treffe Ich Barbara und dann auch Pierre Jordaan, den ich noch nicht kannte…in Zukunft teilen wir uns die medizinische Arbeit auf, er oberhalb des Zwerchfells, ich unterhalb; wir verstehen uns sofort prächtig. Nach Ankunft in Andara, dann «Einpuffen» ins Containerzimmer mit Bett, Schrank und Tisch und dann Älplermakroni zum Znacht.
Aus dem Containerdorf ins Spital Andara zum täglichen Morgenrapport, anschliessend Abteilungsvisite und dann Sprechstunde: das Spital ist geräumig, sauber geführt, z.Zt. aber nicht sehr belegt. Die Stimmung allgemein ist geprägt von allseitigem Respekt und Wohlwollen.
Die drei Ärzte – alle aus Simbabwe – sind professionell engagiert, teilnahmsvoll und freundlich zu den Patienten. Ein Vierter -in Russland ausgebildet, aber noch nicht als Arzt zugelassen – wird mich die nächsten zwei Wochen in der Sprechstunde begleiten, wo Ich ihm den niederschwelligen Einsatz des portablen Ultraschallgerätes – von Kopf bis Fuss – zeigen kann. Dutzende Frauen wollen mich konsultieren mit erfolglosem Kinderwunsch; Ich kann hier leider wenig ausrichten; meist liegt der Verdacht, auch sonografisch, auf tubare Sterilität vor, einmal finde Ich eine Uterushypoplasie vor, einige der Frauen sind schon in der Menopause; der «Boyfriend» hat meist mit anderen Frauen mehrere Kinder.
Im Containerdörfli ist self-cooking angesagt, mit Älplermakroni, Spaghetti Bolognese, Risibisi und Rösti kommen wir über die Runden; ein Glas Rotwein darf auch nicht fehlen… zum Glück gibt’s am Wochenende jeweils einen Ausflug in eine der vielen Lodges am Okawango, Barbara kennt sie alle und organisiert uns schöne Schlafplätze: zwischen dem Grunzen der Nilpferde und dem Brüllen der Löwen schläft es sich bestens!
In der vierten Woche, dann im State Hospital Grootfontein, kann Ich einen dreitägigen Ultraschall-Kurs in jeweils vier Gruppen durchführen und mit einem Certificate of attendance abschliessen, geplant hatte Ich eigentlich ein Kurs zum Schwangerschaftsscreening, mit dem Ziel einer besseren Datierung des Geburtstermins, dem Erkennen von Mehrlingen und von Plazentaproblemen, da ich überzeugt bin, dass mit diesen, einfach zu erhebenden Informationen, viele Geburtskomplikationen besser behandelt werden können; untersucht haben wir dann aber ein grosses Spektrum von klinischen Fragen, auch ausserhalb der Geburtshilfe und Gynäkologie.
In Grootfontein besuchen wir mit Max Beyer auch das Schülerheim „Dornhügel-Hostel“. Dieses Projekt ermöglicht es 19 Kindern von Farmarbeitern in Grootfontein eine Schule zu besuchen und im Schülerheim zu wohnen. Ester, die Mutter des Heims, kocht und wäscht für die Kinder, flickt ihre Hosen und Hemden, lernt und spielt mit ihnen und hält das Hostel blitzsauber.
Nach einem Abstecher von ca. 180 km auf schnurgerader Piste zu Melitta Bosshart im Mangetti Health Center, wo Ich bei zwei Gebärenden Ratschlag zum Management geben konnte, reisen wir schon wieder zurück nach Windhoek.
Spannend war’s für mich und ich hoffe, dass meine Inputs, vor allem das Aufzeigen der Möglichkeiten der Ultraschalluntersuchung in der Sprechstunde, nachhallen werden. Beeindruckt war ich von der guten Infrastruktur im Lande, vom Einsatz und der Offenheit des medizinischen Personals; aber auch von der häufig zu beobachtenden Kluft zwischen möglichem optimalem Einsatz der vorhandenen, wenn auch beschränkten Mittel und dem realen Zustand: Einige medizinische Aufgaben scheinen hervorragend organisiert zu sein, wie die Infektkontrolle CDC (die Last von HIV Infektionen und Tuberkulose ist enorm), andere, wie die Versorgung im Busch, mit teils erbärmlich ausgestatteten Krankenstationen, noch sehr mangelhaft. Auch dem Spital in Andara traue Ich eine wesentliche Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten zu, so dass nicht fast jede komplexere Behandlung 200km nach Rundu, oder sogar 900km nach Windhoek geschickt werden muss.
Edi Neuenschwander
im Mai 2021