Erfahrungsbericht Wolfgang Hoffmann

« Rundu State Hospital 25.9. – 13.10.2023 «

Ich bin seit 22 Jahren als Arzt tätig. Ich war jedoch nie, außer während des Studiums im Ausland tätig. Der Reiz, im Ausland und außerhalb unserer Überflussmedizin zu arbeiten, quälte mich schon länger. Da die Umsetzung dieses Wunsches mit dem Familienleben jedoch schwer vereinbar ist, blieb es vorerst bei der Qual. Durch Zufall stieß ich auf Mudiro, meine liebe Frau signalisierte Unterstützung für einen 5-wöchigen Aufenthalt, Pläne wurden konkret. Zusammen mit Barbara, Mudiro-chefin und NGO-Taifun, planten wir den Einsatz. Wegen der lokalen Strukturen war ich als Allgemein- und Viszeralchirurg im State Hospital in Rundu vorgesehen.

Rundu, mit 90000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Namibias ist unmittelbar an der Grenze zu Angola am Fluss Kavango gelegen. Die Stadt ist groß, das Einzugsgebiet riesig, so dass täglich rund 1700 Patienten durch Ambulanzen und Notaufnahme geschleust werden. Rasch wurde deutlich: dies ist keine reiche touristisch geprägte Metropole. Einfaches Leben und große Armut prägen das Stadtbild. 60% Arbeitslosigkeit und eine breite Schere zwischen wenigen „Gut-situierten“ und dem Großteil der teils bitterarmen Bevölkerung erscheinen keine optimale Voraussetzung für eine gute Patientenversorgung.

Organisatorisch ist die Klinik grob in 4 Bereich geteilt: Innere Medizin, Pädiatrie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Chirurgie. Das Team der Chirurgen umfasst Allgemeinchirurgen, Traumatologen, 1 Plastischen- und 1 Kinderchirurgen. Dazu kommen 8 Interns, Studenten also, die ihre letzten beiden Jahre des Studiums in der Klinik verbringen und die, wie sich rasch zeigte, eine tragende Rolle in dem System spielen. Das Team war kollegial und herzlich und die Aufnahme des fremden Europäers ebenso. Beäugt wurde ich nur kurz, gleich am ersten Tag hatte ich mit einem der Studenten einen eigenen OP-Saal. Auch hier zeigte sich: wenn man herzlich und freundlich auf das Personal zugeht, kriegt man das gleiche zurück.  Sehr schön. Und nach einer sehr kurzen Orientierungsphase ging ich schnell dazu über, den Kollegen die Eingriffe nur noch zu assistieren, um die Einsatzaufgabe  der Studentenausbildung zu erfüllen.

Die Krankheitsbilder vergleichbar mit Europa, die typischen Wohlstandsleiden waren eher selten bis nicht vorhanden. Im Unterschied dazu jedoch eine recht große Zahl an Schuss- und Stichverletzungen. Die Verletzungen nach Verkehrsunfällen waren ebenfalls schwerer als die der Mehrzahl der Unfallopfer in Deutschland. 

Die apparative Diagnostik fehlte oder war extrem eingeschränkt verfügbar. CT kaputt, keinerlei Endoskopie, 1 Ultraschallgerät für das gesamte Haus. Oh je, nicht so gut. Gefragt waren daher Augen und Hände und die Kollegen entpuppten sich mit ihren sensiblen Händen als gute Diagnostiker mit gutem Gespür. Überhaupt fiel mir sehr schnell die außerordentliche Geschicklichkeit der Kollegen und auch schon der Studenten auf. Außergewöhnlich. Der Laparoskopie-Turm war ebenfalls „broken“, weshalb es keine minimal-invasiven Eingriffe gab. Alles wurde offen-konventionell gemacht, was jedoch wegen des meist geringen body mass index große Freude bereitete. 

Ein Wort noch zu den Studenten: sie müssen wirklich rackern und übernehmen auch die Patientenversorgung nachts und am Wochenende. Dafür erhalten sie aber eine gute und sehr praxisbezogene Ausbildung. Die morgendlichen Meetings dienten in der Hauptsache der Studentenausbildung. Alle vorgestellten Fälle wurden auseinander genommen und bis ins Detail besprochen. Und das ohne Überheblichkeit und ohne Vorwürfe. Da können wir uns in Deutschland eine dicke Scheibe abschneiden. 

Am Schluss des Einsatzes freute ich mich, zunehmend in das Team integriert zu sein und es war natürlich ein wenig schade zu gehen. Aber die Freude auf das Wiedersehen mit meiner Familie war nach dieser Zeit größer.

Somit blieben prägende Eindrücke von den 2 Realitäten Afrikas: die bittere Armut der Menschen, die ihr Leben ohne großes Klagen annehmen. Auf der anderen Seite die unbeschreibliche Schönheit der Natur. Es ist eine andere Welt. 

~ Dr. Wolfgang Hoffmann Visceral Chirurgie