Erfahrungsbericht Mattheus Vischer
Erfahrungsbericht Dr. med. Mattheus Vischer
HNO am Kavango – ein grosser Schritt vorwärts
Wir sind wieder angekommen hier im Andara hospital… am Montag früh, wie üblich: morning prayer mit Gesang… doc Erasmus begrüsste uns herzlich und sehr persönlich zu unserem vierten Einsatz. Er ist der neue SMO, wir hatten schon vor zwei Jahren viel Kontakt und Austausch mit ihm.
Andara hospital
Am zweiten Tag operierten wir den jungen Lehrer aus Shamunaro, dem wir vor zwei Jahren eine Zyste aus der Stirnhaut entfernt hatten. Diesmal störte ihn eine kleinere Zyste über dem rechten Auge, die sich in lokaler Betäubung entfernen liess. Dabei leistete der Sauger und die bipolare Elektrokoagulation – von Mudiro gespendete und mit Namibia Stecker installierte Geräte – sehr willkommene gute Dienste – bis zum Stromausfall! Da waren dann die Tupfer mit Wasserstoffperoxyd gefragt bis das Notstromaggregat angeworfen war. Operiert haben wir in der casualty, umringt von Ärzt*innen und Pflegepersonal, die aufmerksam jede Bewegung beobachteten.
Diese Patienten zeigten sich sehr enttäuscht, keine Medikamente zu erhalten – schliesslich hatten sie drei NAM $ bezahlt. Ja… und dann meldeten sich wieder etliche „no hearing“ Patienten – nicht ganz unerwartet – die vorgaben, nichts zu hören… Ohne mit der Wimper zu zucken ertragen sie 100 dB laute Testtöne, aber auf die leise gestellte Frage, ob sie ein disability grant bräuchten, nicken sie mit dem Kopf. Ach herrjeh… mit diesem Geld könnte man die Familie einen Monat ernähren – oder auch mal in der Shebeen ein oder zwei Nächte richtig durchfeiern. Die hier im Norden weit verbreitete Armut macht erfinderisch – nun: aus unseren Einträgen im health pass von 2022, 2021 und sogar 2019 wurde dann rasch alles klar, aber na ja… man probiert halt immer wieder.
Zwischendurch ergab sich Gelegenheit, dieses Problem mit der social workerin zu besprechen… Das war recht aufschlussreich: neuerdings wird von einem board bestehend aus zwei Ärzt*innen und einer social workerin über die Zusprache eines dysability grant entschieden. Jeweils Freitag nachmittags müssen die Patient*innen persönlich vorsprechen, werden angehört und ihr Antrag wird beurteilt. Dann entscheidet das board über den Anspruch, oder vertagt den Entscheid und ordnet weitere Abklärungen an.
Das Angebot, am Donnerstag eine Fortbildung zu halten fand sofort Anklang. Im gut besuchten Referat ging’s um Schmerzen im Ohr – mit und ohne Mittelohrentzündung, illustriert mit zahlreichen Trommelfell-Bildern. Es ging um die Frage, wann eine antibiotische Therapie erforderlich sei, wie lange und mit welchem Medikament. Zwar hängt im board room ein hochaktuelles Plakat zum Thema der Antibiotika Resistenzen, aber der tägliche Umgang mit Antibiotika ist leider immer noch ziemlich unkritisch.
Nankudu hospital
Ja – und der grosse Schritt vorwärts?
Mit einem gemütlichen Schluss-Abend am Ufer des Kavango River verabschiedete uns Barbara bei einem schicken dinner mit sehr leckerem Rotwein – und wir bedankten uns bei Herman, dem stets freundlichen und hilfsbereiten chief of Mudiro Camp, dem begeisterten Fahrer der mobile clinic, dem umsichtigen Logistiker der outreach Einsätze… und liessen die eindrücklichsten Momente dieses vierten Einsatzes Revue passieren unter Namibias prächtigem Sternenhimmel – let’s do it again!
Dr. med. Mattheus Vischer, Spezialarzt HNO, Hals-und Gesichtschirurgie