Erfahrungsbericht Einsatz vom 1.Juli bis 10.August 2022

Anreise

Endlich ist mein grosser Wunsch in Erfüllung gegangen, ich lande in Afrika, in Namibia! Obschon ich mit meiner Familie immer viel gereist war und auch schon einen dreijährigen Einsatz in Papua Neu Guinea gemacht hatten, war ich noch nie in Afrika.

In Rundu holte mich Herman ab, so konnte ich die knapp zweistündige Fahrt nach Andara im Auto geniessen und die Landschaft auf mich wirken lassen und bekam schon viele Inputs über Land und Leute von ihm. Herman ist der Projektkoordinator von Mudiro und lenkte das Auto geschickt und mit Erfahrung neben Kuhherden, Ziegen, streunenden Hunde und Menschen, die sich auf der Strasse befanden.

Da mein Koffer in Frankfurt hängen blieb, kümmerte sich Herman darum, er machte das ganze Wochenende Telefonate mit dem Airport und Minibusfahrern! Nach fünf Tagen wurde der Koffer direkt zu den Wohn-Container von Mudiro in Andara geliefert!

Spitalarbeit

Am Montag begann ich im Andara Hospital in der Gebärabteilung meine Arbeit. Da ich dort nicht wirklich einen Arbeitsauftrag hatte, konnte ich den Ablauf der Abteilung erstmals auf mich wirken lassen und sehen, was und wie funktionierte oder auch nicht. Wie ich auch erwartet hatte, war vieles anders und einfacher, als ich es mir von der Schweiz gewohnt war. Tatsache ist, dass auch in Namibia die Frauen schlussendlich gleich gebären, wie überall. Aber vieles liess mein Hebammenherz bluten: Die Gebärenden wurden sehr empathielos betreut, die Hebammen unterstützten die Frauen nur in der letzten Phase der Geburt, wenn das Kind auf die Welt kam. Die meiste Zeit war die Frau allein, kein Zuspruch, Massage oder nette Worte. Das Baby wurde der Mutter gezeigt, dann weggenommen, gewogen und gemessen, Medikamente verabreicht, angezogen, die Mutter bekam das Kindlein erst wieder in die Arme, wenn sie ins Wöchnerinnenzimmer gebracht wurde. Die Frauen waren auch sehr eingeschüchtert, zeigten keine Freude, wenn sie das Baby sahen… ich fragte mich, ob sie wirklich keine Freude hätten, da es schon das x-te Kind war und so mühsam zu gebären? Doch ich merkte mit der Zeit, wenn ich ihnen den Rücken massierte unter der Geburt und sie lobte, dass sie es sehr gut gemacht habe und sie ein wunderschönes Kind hätten, strahlten auch ihre Augen.

In der Gebärabteilung hing ein Zertifikat: Baby friendly Clinic! Ich musste mich jeden Tag fragen, warum wohl: kein Bonding, keine schnelles ansetzen an die Brust und kein Wärmestrahler funktionierte….

Leider funktionierten viele Apparaturen nicht, weil sie falsch oder überhaupt nicht gewartet wurden. Das alles tönt sehr ernüchternd und zeigt, dass Mudiro in Namibia noch sehr viel bewirken kann.

Einiges konnte ich direkt unterstützen und bewirken. Ein Kind hatte eine Lippen-Kiefer- Gaumenspalte. Mit Improvisation, eine Spritze und einem abgeschnittenen Infusionsschlauch, konnte das Baby mit Fingerfeeding ernährt werden. Auf diese Weise konnte ein Verschluss der Spalte während des Schluckens erzeugt werden und die Milch kam auch im Magen an. Bald kam auch das Ärztepaar Vischer, die brachten eine spezielle Schoppenflasche aus der Schweiz mit, mit welchem die Mutter auch zu Hause das Baby einfacher füttern konnte. Damit dieses Kind im Spital von Rundu die erste Operation bekommen konnte, musste es 5 Kilo schwer sein. Ich hoffe sehr, dass es überleben wird!

Ich nahm mich auch den Frühgeburten an, oder Müttern mit speziellen Krankheiten.

Kursarbeit

In den 3 Tagen Academy konnte ich 18 Krankenschwestern und Hebammen in Akut-Taping für Schwangere und Wöchnerinnen ausbilden. Dies ist eine einfache und wirkungsvolle Methode, Lockerungsschmerzen des Beckengürtels, Kreuzbein oder Bauchmuskulatur zu beheben. Dadurch würden auch weniger Schmerzmittel gebraucht. Für diese Schulung wurden die Tapes von MCL-Laboratorien und der Firma Dolor-X gespendet. Im Namen von Mudiro, ganz herzlichen Dank. In Namibia können solche Tapes auch gekauft werden, wenn genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Diese können sicher auch über die Spitalapotheken bestellt werden.

Es wurde fleissig geübt und es waren aktive und super Tage. Die verschiedenen Teilnehmer reisten von weit her an, zum Teil bis zu 700km waren ihre Spitäler entfernt. Sie alle wurden vom Gesundheitsministerium rekrutiert und geschickt. Die ganze Organisation, Übernachtung und Verpflegung war auch durch Mudiro gedeckt. Stolz trugen alle ihre Zertifikate nach Hause.

Weiter konnte ich an Schulen oder kleineren Health Centren den Mädchen oder jungen Frauen Aufklärungsunterricht erteilen. Viele Frauen bekamen schon sehr früh ihr erstes Kind, mit 14 oder 15 Jahren! Dadurch müssen sie die Schule abbrechen, können so auch keinen Beruf erlernen und auch meistens sind die Väter der Kinder auch schon verschwunden. Dadurch ist Armut in der Kavango Region sehr hoch. Die Frauen tragen eine grosse Bürde, irgendwie die Familie durchzubringen. Für die Frauengesundheit und deren Familien wäre es sehr wichtig, dass eine gute Familienplanung umgesetzt werden könnte.

Im Unterricht benutzte ich Elemente des MFM- Projekts (mfm-projekt.ch), mit welchen ich auch schon Mädchen in der Schweiz unterrichtete. Es geht in erster Linie darum, dass junge Mädchen rund um die Menarche ihren Körper gut verstehen und so auch selbstbewusst und stolz das Frausein ausleben können.

Mit grossen Tüchern legte ich Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke am Boden aus, so, dass alles sehr gut sichtbar war, was sonst klein und unsichtbar im Frauenkörper verborgen ist. Die Hormone waren Symbole, die Mädchen wurden in einem Spiel miteinbezogen, so wurden alle Sinne angeregt.

Ich war fasziniert, wie die Mädchen mitmachten, zuerst scheu, dann immer offener, wie ich es genau gleich in der Schweiz erlebt habe.

Natürlich kamen auch die verschiedenen Verhütungsmethoden zu Sprache und wo sie sie beziehen können. Da kamen auch sehr viele Vorurteile zur Sprache…

Auch schon Binden während der Menstruation kann ein Problem darstellen. Entweder ist ein Shop zu weit weg, oder es fehlt an Geld. So müssen die Mädchen oft während ihrer Periode zu Hause bleiben und sie fehlen in der Schule. Mir wurde auch da bewusst, dass auch die Jungs Aufklärungsunterricht erhalten müssen! Diese Aufgabe sollte von Männern erteilt werden und so auch aufzeigen, dass beide Geschlechter für eine funktionierende Familie verantwortlich sind.

Höhepunkt

Höhepunkte waren die Tage im Outreach! Mit Barbara und Herman fuhren wir auf Sandpisten bis 2 Stunden in verschiedene Dörfer, zusammen mit den HNO Ärztepaar Vischer und der Notfallärztin Karolina Büchel.

Wir untersuchten Kinder, Erwachsene und Schwangere in einem Klassenzimmer, mit sehr improvisierten Mittel. Unsere Ankunft war schon vorausgeeilt und die Leute warteten geduldig in Schlangen, vor der Schule. Trotz wenigen Möglichkeiten versuchten wir den Patienten gerecht zu werden, oder organisierten Transporte nach Andara ins Spital.

Geschlafen wurde in Zelten in der Nähe des Dorfes, umgeben von Rinderherden, Ziegen, Hunden und Hühnern. Barbara und Herman bekochten uns lecker vom Feuer (echt Mudiro überall). Die Stimmung dort draussen mit Sonnenuntergängen und der Landschaft war überwältigend. Am liebsten wäre ich dort draussen geblieben, so hätte ich sicher noch viel mehr von der Dorfkultur erfahren.

Die sechs Wochen verflogen für mich schnell und ich konnte viele Eindrücke mitnehmen: Ein Land von vielen Gegensätzen: Arm/ Reich, Stadt/Land, Modern/Unterversorgt, nachts und morgens sehr kalt/ Tags stechend heiss….

Die Unterstützung von Mudiro ist wichtig, den ärmsten der Armen zu helfen.

Den Einsatz konnte ich mit einer dreiwöchigen Reise im Zelt durch ganz Namibia, zusammen mit meinem Mann abrunden. 

Namibia ist einfach fantastisch!

~ Marlis Koch