Erfahrungsbericht Kathrin Vischer

Erfahrungsbericht Dr. Kathrin Vischer

Camp Mudiro und Glamping im Bush

Was für eine Überraschung bei der Ankunft im Container Dorf in Andara! Herman hat als Gartenarchitekt gewirkt und mit einer neuen Feuerstelle, diversen Sitzgelegenheiten, Kieselsteinwegen und Bepflanzung ein richtiges Mudiro Camp geschaffen. Herrlich, den ersten Kaffee nach einer frostigen Nacht am Morgen bei zwei Grad Celsius mit Mütze und Handschuhen am Campfire zu trinken!

Innocentia, Franciska und Herman haben uns herzlich begrüsst und uns stolz in ihr neues Reich eingeführt.

Im Garten ist auch die Mobile Clinic stationiert, die wir zum ersten Mal „in natura“ bewundern konnten, wirklich eine tolle Errungenschaft für Mudiro. Wir haben die Einrichtung begutachtet und die Schränke mit neu eingeflogenem Material aus der Schweiz aufgestockt.

Nach einigen Tagen im Andara Hospital mit vielen Gehörabklärungen waren wir dann bereit für das Abenteuer Outreach. 

Mit gepackter Mobile Clinic, Barbara’s Gloria (einem Landrover, ja nicht zu verwechseln mit einem Jeep, was sofort die Kündigung Barbara’s Freundschaft nach sich zieht), Sarah, einer Nurse aus dem Spital und Catherine, der Sozialarbeiterin starteten wir unsere Reise auf Sandpisten in die Dörfer Shamaturu, Shaditunda und Shamunaro.

Eine erste längere Pause gab es durch einen schwierigen und auch gefährlichen Radwechsel im tiefen Sand, den Herman bravourös meisterte, während Barbara und Mattheus den Übeltäter, einen teilweise im Sand verborgenen Wurzelstock absägten. Ich habe den Zwischenfall vor allem im Bild festgehalten und trug die Verantwortung für die Radmuttern, die nicht im Sand landen durften!

Herman hat mit Barbara in Swakopmund eingekauft und die Camping Ausrüstung erweitert. So waren wir für die drei Nächte im Bush komfortabel ausgerüstet mit Feldbetten im Zelt, Camping-Küche und Grill, Tisch und Stühlen auf Teppich(!), und als Höhepunkt gab es täglich eine warme Bush-Dusche am Abend vor Sonnenuntergang.
Die Arbeit im Busch war wieder sehr vielfältig und spannend für mich als Kinderärztin. Wir haben uns jeweils in einem Schulzimmer eingerichtet, wobei wir uns dem afrikanischen Rhythmus von Sarah und Catherine angepasst haben. Da im Bush kaum jemand Englisch versteht, waren wir auf die Unterstützung von Sarah angewiesen, die Timbukushu spricht.

Der Vormittag begann mit Tabletten abzählen, Paracetamol, Ibuprofen und Amoxicillin haben wir aus grossen Büchsen gemütlich in kleine Plastiksäckli abgefüllt. Meistens kam später, wenn es nicht mehr so kalt war, eine Lehrerin oder Health Workerin aus dem Dorf dazu zum Übersetzen. Oft waren sie auch plötzlich wieder verschwunden, niemand wusste warum und wohin, und ein Weiterarbeiten war für mich unter diesen Umständen nicht möglich.

Administration ist auch in Namibia ein wichtiges Thema! Jeder Patient wird in einem riesigen Buch erfasst, was mehr Zeit beansprucht als Anamnese, Untersuchung und Medikamentenabgabe. Eigentlich gibt es gar keine Untersuchung. Die Outreach Nurses wissen und leisten viel, übernehmen auch Kompetenzen, die in unseren Breitengraden Ärzten zustehen. Leider endet beinahe jede Konsultation nach kurzer Anamnese und Eintrag im Gesundheitsheft mit der Abgabe eines Antibiotikums, egal ob Halsweh, Husten oder Durchfall. Erkältungen mit und ohne Fieber werden mit Amoxicillin behandelt, wenn dies aufgebraucht ist geht es relativ unkritisch zuerst mit Co-trimoxazol und dann mit Cephalosporinen weiter.

Da ich die kleinen Patienten jeweils untersucht habe und mich anschliessend für oder auch gegen ein Antibiotikum entschieden habe, war es nur schwer zu ertragen, dass meine Einschätzung oft auf taube Ohren stiess und unter dem Tisch noch schnell ein Antibiotikum nachgereicht wurde.

Die Ernährung der Kinder im Bush ist sehr einseitig, weshalb auch viele unterernährt sind und Mangelerscheinungen zeigen. Drei Mal am Tag gibt es eine Schüssel mit Pap, ein Brei aus Maismehl, das in weissen Säcken in einem Schulzimmer gelagert wird. Vitaminreiche Nahrungsmittel wie Früchte und Gemüse sind eine Rarität.

Kurz vor unserer Abreise haben wir noch zwei unserer drei Patenkinder, Irene und Grace mit ihrer Mutter Susan getroffen. Ihre ältere Schwester Hillary geht bereits in die Sekundarschule und wohnt im Hostel.

Mit ihrem Vater Valentine, einem Health Worker, war ich 2019 im Outreach und habe in meinem Bericht im Mudiro Magazine 03/2019 über unsere schöne und wertvolle gemeinsame Zeit geschrieben. Zwei Jahre später, als ich mich schon darauf freute wieder mit ihm in den Bush zu fahren, teilte uns Barbara mit, dass Valentine eines Abends mit Bauchweh ins Andara Hospital kam und am folgenden Morgen verstorben war. Weshalb weiss niemand so genau.

Ich habe Valentine als liebenswürdigen und fröhlichen Menschen und Kollegen sehr geschätzt, und so haben wir beschlossen, Patenschaften für seine drei Töchter zu übernehmen. Wir haben uns gefreut sie zu sehen und ihnen ein paar kleine Geschenke aus der Schweiz zu übergeben.

Unser vierter Einsatz mit Mudiro wird mir in bester Erinnerung bleiben. In drei Wochen verändern wir die Lebensverhältnisse der Menschen im Norden von Namibia nicht, aber wir können massgeblichen Einfluss auf ein paar Einzelschicksale nehmen, was die Lebensqualität dieser Patienten und Familien verändert. Wie zum Beispiel ein behinderter Junge, der nach einem Jahr nächtlichen Schreiens mit der richtigen Medikation erstmals wieder die ganze Nacht durchschläft; oder das Mädchen im Bush, auf einem Auge bereits erblindet, das zum Spezialisten in Andara gebracht wird zur weiteren Betreuung und Therapie. Kleine Schritte mit grosser Wirkung für die Betroffenen. Jeder Einsatz lohnt sich!

Dr. Kathrin Vischer, Kinderärztin