Erfahrungsbericht Chrigu König

Bericht von meinem 7. Aufenthalt in Namibia, Andara, Mudiro

« Endlich in den Busch mit der «Mobile clinic «

Herzlich und freundlich wie immer werde ich von Barbara am Flughafen von Rundu nach einem wunderschönen Flug von Windhoek nach Rundu in Empfang genommen. Noch sind 180 km Autofahrt vor uns bis Andara. Die Fahrt am Kavangofluss entlang ist wie immer abwechslungsreich und landschaftlich wunderschön. Wir haben gute Gespräche zusammen. 

«Wer einmal vom Wasser des Kavangoflusses getrunken hat kehrt immer wieder zurück», so auch ich.

Die Landschaft ist karg und trocken, die Bäume ohne Blätter, kein grünes Gras es ist schliesslich auch Winter. Die Temperaturen sinken in der Nacht auf unter 10 Grad und steigen tagsüber auf zwischen 20 bis 30 Grad. Darauf komme ich noch zurück. Man sieht weit in das Landesinnere zu den kleinen Dorfgemeinschaften mit Stroh- und Lehmhütten. Sind wir im Jahr 1023 oder 2023?

Im Spital angekommen gilt es keine Zeit zu verlieren, das Teaching mit den Spitalärzten beginnt sofort. Ich glaube sie freuten sich auf mich, ich werde jedenfalls freundlich begrüsst vom jetzigen Chef der Klinik, ein ehemaliger Schüler von mir aus früheren Zeiten!

Covid ist immer noch präsent. Zur Begrüssung herrscht immer noch das « Faustrecht», manche tragen noch Masken. Dabei sind doch die Medien das Virus und die grosse Gefahr und nicht das Virus. 

Das Spital ist in schlechterem Zustand als auch schon. Es fehlt an allem, Medikamente, Apparate und sogar Plastikhandschuhe zum Schutz vor Infektionen und HIV sind Mangelware.

Neben dem Spital steht auf einem grossen Grundstück die Covidstation, erbaut in Windeseile vor 3 Jahren, leider ohne Sauerstoffanschluss. Jetzt steht sie seit Monaten leer, dabei platzen die Abteilungen aus allen Nähten. 

Wieder bin ich an der Ultraschallausbildung und sehe bei gewissen Ärzten Fortschritte, bei anderen bleibt nichts hängen. Die Bevölkerung nimmt rasant zu und so auch die Arbeit. Leider ist ein Ultraschallgerät auf den Boden gefallen und unbrauchbar.

Morgen geht es in den Busch, darauf haben wir uns alle sehr gefreut. Ein Isuzu Truck wurde absolut genial und zweckmässig zu einer buschtauglichen «Mobile Clinic» umgebaut. Ein wahres Wunder an Untersuchungs- und Behandlungsraum, mit Liege, fliessendem Wasser, zahlreichen Schränken und einem neuen Ultraschallgerät. Die Schränke sind voll mit medizinischem Material, Spritzen, Medikamenten, alles was es braucht. Das Team besteht aus Barbara im eigenen Landrover, Herman dem Truckfahrer und Helfer an allen Seiten, einer Sozialarbeiterin Cathrine, einer brillanten Busch-Krankenschwester Anna, Liezl (Barbaras rechte Hand) und mir. 

Nun geht es also auf tiefen, schwierig befahrbaren Sandstrassen weit in den Busch. Viele der Menschen die wir antreffen haben wahrscheinlich noch nie einen « Weissen» gesehen, vor allem die Kinder. Nun sind wir da, meistens im umzäunten Schulareal und schlagen unsere Zelte auf in welchen wir die kalten Nächte verbringen werden. Kaum eingerichtet finden sich via Buschtrommel Massen von Patienten ein, v.a. Frauen und Kinder, welche dringend unsere Hilfe brauen. Der Tag beginnt langsam, geht aber oft bis in die Nacht. An einem Tag versorgen wir über 200 Hilfesuchende. Es wird geimpft, immunisiert, untersucht und behandelt. Auch die Schwangerschaftsverhütung ist erstaunlicherweise ein grosses Thema. Zum Glück spricht unsere Krankenschwester die lokale Sprache und kann die Frauen dazu überzeugen. Wir applizieren hunderte von 3 Monatsspritzen und verteilen Kondome. Auch so ist die Kinderflut noch nicht im Griff aber wir bleiben dran.

Unser Hauptthema ist aber die Muttermundkrebsvorsorge. Das tönt für den Busch etwas komisch ist aber dringend notwendig, da die Inzidenz wegen der Covid bedingten Zunahme von HIV-Fällen deutlich gestiegen ist. Ich erkläre: da bei HIV-Erkrankten ein immun Defizit besteht, erhöht sich das Risko eines Muttermund Krebses. An Ort und Stelle erfasst kann es einfach und effizient mit einer Kryotherapie behandelt werden. 

Auch unsere Sozialhelferin hat alle Hände voll zu tun, obschon fast alle Hilfs-Gelder für die Ärmsten von der Regierung im Moment gesperrt sind. Da müsste einem schon ein Krokodil den Arm oder das Bein abbeissen um finanzielle Hilfe zu erhalten. So kann sie eigentlich in ihrem Frust fast nur trösten und vertrösten und sagen «it is the Gouvernement».

Für den Abend nach sehr anstrengenden Tagen kochen Barbara und Herman jeweils vorzügliche Mahlzeiten auf dem offenen Feuer, welches für die schönen Abende für angeregte Gespräche noch weiter lodert. Eben Mudiro. Der Sternenhimmel ist bei Neumond wie im Moment unglaublich hell und umwerfend. Es ist eine wunderschöne wertvolle und befriedigende Arbeit die hier geleistet wird, eigentlich traumhaft ohne Wenn und Aber. 

Der letzte Tag naht leider viel zu schnell, wir fahren ins Basislager zurück nach Andara in unser Containerdorf glücklich und zufrieden.

Fast alleine im kleinen Flieger geht es zurück nach Windhoek wo ich symbolisch im «Roof of Afrika» logiere. Nun sitze ich hier und es gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Das Himmelszelt von Afrika wird nach wie vor von den Frauen getragen. Wie sinnvoll ist Entwicklungshilfe in Afrika, wie soll die Entwicklungshilfe eigentlich aussehen, bevormunden wir nicht weiterhin? Hilfe zur Selbstständigkeit und Ausbildung ist der Schlüssel. Afrika ist nicht arm aber weiterhin ausgebeutet, das ist eines der Probleme. Ich empfinde Afrika als etwas schwieriger. Covid hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Zusammenleben, Vertrauen, Egoismus, Sozialverhalten, Arbeitsauffassung alles hat sich auch hier etwas verändert, dies nicht nur im Guten, genau wie bei uns. Ich spüre von der afrikanischen Seite her etwas mehr Rassismus den Weissen gegenüber, obschon wir Mudiro mit Herzblut, Feuer und Selbstlosigkeit eigentlich den Job des Staates und der Regierung übernehmen. Dies selbstverständlich unbezahlt und freiwillig. Trotzdem werden uns etliche Steine in den Weg gelegt. Während ich über Armut und Reichtum sinniere steigt plötzlich die Spannung im Restaurant. Es ist Samstagabend. Eine weisse Limousine mit grünen Nummernschildern (Staat) rollt an. Eine Frau und zwei Männer steigen aus. Alle 3 zusammen bringen wahrscheinlich gegen die 400 kg Lebendgewicht auf die Waage. Der Wagen ist angeschrieben mit: «Ministry of health and social services”. Das sagt viel, auch das ist Afrika. 

Die grosse Frage bleibt trotzdem, wem wird es in Zukunft besser gehen, uns in Europa mit Migration, Generation Z und Chaos oder Afrika?

Liebe Barbara einmal mehr Hut ab vor Deiner Leistung mit Deinem Projekt Mudiro, welches Du so selbstlos, engagiert, ausdauernd und mit Feuer weiterführst. Ich bin froh und stolz Teil Deiner Mudirofamilie zu sein. Ich wünsche Dir Kraft, Mut und Durchhaltevermögen. Für mich war es ein sehr spannender und schöner Aufenthalt. Wer einmal vom Wasser des Kavangaflusses getrunken hat ……..

~ Dr. Chrigu König, Gynäkologie