Dies ist ein neuer Bericht von Christoph König, von einem weiteren Aufenthalt im Januar 2022 im Andara Catholic Hospital
Bist Du geimpft ? Die wichtigste Frage, aber niemand fragt Dich in Zeiten wie diesen, wie es dir körperlich, persönlich und psychisch geht. Freunde, Kollegen, Partner trennen sich. Es herrscht ein Informationskrieg, die Bevölkerung ist hoffnungslos gespalten und driftet auseinander, man geht sich auf die Nerven.
Der Tourismus in Afrika liegt am Boden, damit auch ein wichtiger Wirtschaftszweig, folglich steigt auch die Arbeitslosigkeit ,Kriminalität, die Hungersnot und es steigen auch die Infektionszahlen von HIV, Tuberkulose, Malaria und anderen Krankheiten . Die ohnehin schon großen Probleme Afrikas sind noch größer geworden.
Ich muss weg von hier, ich brauche dringend ein Time out und zwar an einem Ort, den ich liebe, Afrika, Namibia, Andara, Mudiro.
Mein Flug führt mich Covid- bedingt von Genf nach Addis Abeba, dann nach Windhoek Namibia. Das Flaggschiff Air Namibia ist verschwunden, der Flugplatz ist leer. Ein trauriger Anblick , die Gründe dafür kennt niemand genau. Ich fliege über Afrika, und schaue nach unten. Dort herrscht Krieg, Gewalt, Armut, Seuchen und Hunger. Unterernährung ist allgegenwärtig. Der Tod ist es auch. Das Interesse an dieser Situation ist wenig groß, keine News, nichts.
Ist Afrika unfähig, rückständig, abergläubisch, gewalttätig und faul?
Ich denke, dass man in einem Land arbeiten muss, bevor man es beurteilen darf, gearbeitet habe ich hier unter extremen Bedingungen, beurteilen will ich und kann ich es nicht. Die Menschen , die hier permanent leben sind dazu mehr befähigt. Eines kann ich sagen: die Not in Afrika wird wahrscheinlich fortdauern, denn Korruption bleibt ein großes Thema, Gelder fließen in die falschen Taschen.
Von den reichen Staaten auf dieser Welt ist vorerst, nach all den Rückschlägen, wenig zu erwarten. Afrika und seine Bewohner brauchen vor allem eines, Hilfe zur Selbsthilfe und die dazu nötige Ausbildung. Education ist der Schlüssel, dem Elend zu entfliehen. Besonders die afrikanischen Frauen arbeiten hart, sie übernehmen den Großteil der (auch körperlich schweren) Aufgaben, um die Familie zu ernähren und den Kindern vielleicht ein kleines Stück, der so wichtigen und kostbaren Ausbildungen, zu ermöglichen. Wir helfen hier mit einem Sponsoring an einige Familien, die meine Kinder und ich auf unseren Reisen getroffen haben.
Dies ist meine Motivation, genau dort vor Ort zu sein und anzusetzen. Mein inneres Mudirofeuer treibt mich an, selbstlos möglichst viel zu helfen, auszubilden und das Mudiro Projekt, die Teaching Academy zu unterstützen auf – und auszubauen und zu fördern. Es wird uns gelingen…
Ein neuer Mitarbeiter von Mudiro, Herman du Toit empfängt mich am Flughafen « Welcome Dr. Chris Halali Himba» Wir beide wissen, worum es in den nächsten Wochen geht, nach kurzer Entspannung besuchen wir Morris in seinem Namib Craft Shop. Aus altem Autoblech bastelt er wunderschöne Plastiken und wird von meinem Sohn finanziell gefördert. Sein Geschäft läuft gut, trotz Covid, bravo! Dann ab ins Olive Grove und zum Nachtessen ins Joe’s Beerhouse, mein Lieblingsrestaurant als Einstimmung für das Kommende. Game Filet von Feinsten, auch das ist Afrika.
Am nächsten Tag schon der erste Höhepunkt: Ghaub Guestfarm. Ein Deutscher aus vierter Generation mit einer Farm von 120 Km2, riesig, mit einer verlassen katholischen Missionsstation. Angekaufte Wildtiere (Kudus, Impalas, Zebras, Giraffen etc. und vor allem geschützte Nashörner) bewegen sich ohne Zäune frei herum. Von den 9 Nashörnern wurden im letzten Jahr 3 der Tiere gewildert, Katastrophe, umso mehr, weil eines noch trächtig war.
Nach einem letzten Sprung in den Pool geht es weiter über Grootfontein, Rundu nach Andara. Es ist Regenzeit. Wir durchfahren gewaltige Gewitterzellen, es schüttet wie aus Kübeln. Der Regen ist gut für die Bevölkerung und die Tiere, es wurde langsam Zeit, dass er kommt, die Bevölkerung leidet unter der Last der Trockenheit.
Wir erreichen Andara und treffen auf Barbara, welche mich herzlich erwartet und umarmt. Es tut gut sie wieder zu sehen, wir sind ein gutes Team und unterdessen alte Kämpfer für die gleiche Sache. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen. Morgen starten wir, die Ärzte kenne ich, sie kennen mich, man steht sich nah und hat keine Berührungsängste. Mein ehemaliger Schüler, Dr. Mariwa, ist unterdessen Chef der Klinik, das ist schon ein kleiner Mudiro Erfolg.
Der nächste Tag beginnt mit einer Drillingsgeburt, spontan empfangen und natürlich geboren, 2 mal Kopflage, 1 mal Steisslage, alles gut gegangen, Kinder alle über 2500 Gramm wohlauf, die Mutter auch, herrlich und einmalig.
Dann beginnt die bekannte Routine, Warten, Schauen, Handeln. Routine oder auch nicht. Wieder bin ich konfrontiert mit einer gebärenden Mutter mit einem Gebärmutterriss unter Wehen, eigentlich tödlich für Mutter und Kind, aber wir schaffen es, beide leben, wieder ein Erfolg .
Abteilungsrundgang, Besprechungen, medizinische Probleme versuchen zu lösen, Poliklinik mit 200 Patienten pro Tag, viele Medikamente fehlen ( Covid- bedingt). Daneben Geburtshilfe mit, wie immer, traurigen und gefährlichen Situationen, welche manchmal mit Notfallkaiserschnitten gelöst werden können. Dennoch immer wieder ausweglose Situationen. Die Wege für die Patienten von zu Hause ins Spital sind oft zu lang und zu beschwerlich, besonders jetzt in der Regenzeit. Viele Geburten finden zu Hause statt.
Die traditionelle Medizin hat in den letzten Jahren (Covid bedingt?) wieder zugenommen, Wodoos sind allgegenwärtig und wahrscheinlich zum Teil auch hilfreich, nur in der klassischen Medizin oft gefährlich und nicht gerne gesehen. Schlangenbisse, Verletzungen durch Krokodile, Hippos sind an der Tagesordnung. ( Zum Glück bin ich Schlangenbissspezialist). Die Malariazeit beginnt gerade. Wie jedes Jahr erkranken besonders Kinder schwer daran.
Ich habe in meinen nunmehr 6 Aufenthalten in Andara auf der Kinderabteilung noch nie so viele unterernährte Kinder gesehen. Die Erkenntnis in die Zukunft zu schauen und vorzusorgen fällt dem Großteil der Bevölkerung schwer.
Ein weiteres großes Problem ist (zum Teil selbst gemachter) Alkohol. Für Männer und Frauen problematisch und gefährlich und ein wesentlicher Faktor für den rasanten Kinderzuwachs und die damit verbundene körperlich eingeschränkte Entwicklung einiger Kinder.
Covid:
(Achtung von mir ev. etwas polemisch). Afrika ist von Covid, sagen wir, weitgehend verschont. Die Leute sind zu jung, zu gesund und haben eine viel kürzere Lebenserwartung, Kollateralkrankheiten sind selten, vielleicht auch selten entdeckt. Die Impfrate liegt wahrscheinlich bei nur 10 %, verlässliche Zahlen gibt es hier oben nicht und die grosse Frage ist, wer überhaupt Zugang zu einer Impfung hat. Andara hat eine ganz neues Covid Isolationszentrum erhalten. Es gibt noch andere Zentren im Norden. Immerhin leben im Norden 1.6 Mio Menschen, fast die Hälfte der namibischen Bevölkerung und unser Zentrum hospitalisierte gerade mal 6 Patienten. Intensivstationen gibt es keine, nur Sauerstoff, wenn nicht gerade «out of stock».
Afrika hat gelitten , mehr denn je , die Grenzen waren zu , der Tourismus kam zum Erliegen, verlorene Jahre , besonders für die so wichtige Ausbildung der Kinder, die Folgen sind katastrophal.
Doch gerade jetzt kämpfen wir weiter, der Alltag geht auch weiter.
Der große, lang erwartete Tag ist gekommen, die Mudiro Teaching Academy kann starten. Barbara hat bekannte Ärzte von anderen Spitälern eingeladen und sie kommen zum Ultraschall teaching. Alles läuft super! Die Teilnehmer sind begeistert. Der Grundstein ist gelegt, es war anstrengend, hat sich abertausend Mal gelohnt, danke Mudiro, wir haben es geschafft! Nun gilt es das Begonnene auszubauen…. «IN DIR MUSS BRENNEN, WAS DU IN ANDEREN ANZÜNDEN WILLST» ist das Motto.
Das Ende naht, nochmals ein Breefing mit den Teilnehmern, Diplomausgabe, Verbesserungsvorschläge, Feedbacks.
Das Ziel mehr als erreicht!! Wir alle sind überglücklich.
Abschied, wie immer, mit Tränen, wunderschöner Flug mit einem Buschflugzeug nach Windhoek, durch etliche Gewitterzellen, bis es sogar mir etwas mulmig wurde. Olive Grove, Flugzeug nach Addis Abeba Genf.
Merci Barbara für alles. Deine ewige Unruhe ( wart schnäll…, i muess no schnäll), Dein übergreifendes Feuer, Dein Mut zur Sache, Deine Energie. Dein selbstloser Einsatz hält die Mudiro Flamme für uns alle am Lodern. Es hat sich gelohnt zu kommen und zu kämpfen, das Ziel ist näher, ich komme gerne wieder.
~ Chrigu König HALALI HIMBA