Erfahrungsbericht Gynäkologie – Dr. Daphné Dougoud
Lange habe ich mir meinen Einsatz in Namibia herbei ersehnt. Bereits 2019, als meine Chefin Dr. Franziska Maurer das erste Mal aus Namibia zurückgekehrt war, habe ich meinen Wunsch geäussert, beim nächsten Einsatz mit dabei zu sein. Leider kam dann Corona und es hat sich alles etwas verzögert. Nun aber im August/September 2022 durfte ich mit am Start sein. Die Vorfreude war gross und die gewonnenen Eindrücke und Erinnerungen sind es ebenso!
Grootfontein
Nach unserer Ankunft in Windhoek wurden wir von Barbara persönlich abgeholt. Obwohl noch nie vorher getroffen, schien es mir, als ob ich Barbara schon lange kennen würde. Ihre unkomplizierte, offene und enthusiastische Art, welche ich durch kurze Telefonate und va jeder Menge Emails schon erleben durfte, vervielfachte sich noch beim persönlichen Kennenlernen. Sie war es auch, welche uns zu unserem ersten Aufenthaltsort Grootfontein chauffierte. Hier durften wir die erste Woche in einem gemütlichen Guesthouse mit wunderbaren Gastgebern verbringen. Wie sich das für Schweizer gehört, radelten wir jeden Tag die wenigen Minuten zum Grootfontein State Hospital, wo wir vom anwesenden Ärzte-Team herzlichst empfangen wurden. Sie haben sich die Vormittage für uns freigehalten und lauschten mit grossem Interesse unseren Vorträgen. Bevor dann die reguläre Arbeit auf den Abteilungen oder im Ambulatorium angegangen wurde, gab es täglich um ca 11:00 zuerst einmal ein herzhaftes Frühstück, welches üblicherweise aus Rooibos-Tee oder Kaffee und Toast und Würsten bestand. Danach unterstützten wir die lokalen Ärzte bei der Arbeit, insbesondere durch das Unterrichten der Handhabung des gynäkologischen und geburtshilflichen Ultraschalls. Die Mittagessen durften wir ebenfalls mit dem Team verbringen und genossen täglich unglaublich leckere, wenn auch fleischlastige lokale Gerichte (wobei Gemüse und Beilagen nichts zu wünschen übrigliessen, sodass auch Vegetarier durchaus auf ihre Kosten kamen). Die gemeinsamen Essen ermöglichten uns ein zusätzliches Kennenlernen der jungen Ärzte und ihres Alltags und waren eine Bereicherung.
Andara
Die zweite Woche verbrachten wir dann im Mudiro-Containier-Dorf in Andara. Wir unterrichteten eine ca 10-köpfige Gruppe junger Ärzte, welche mehrere hunderte Kilometer gereist waren, um an der Mudiro-Academy teilzunehmen. Die Tage waren aufgeteilt zwischen einem theoretischen Teil vormittags, wo ebenfalls die Ultraschalluntersuchung, sowie die gynäkologische Vorsorge im Fokus standen und einem praktischen Teil am Nachmittag, wo wir die Räumlichkeiten des Andara District Catholic Hospital benutzen durften, um die angereisten Ärzte auch praktisch in der Ultraschalluntersuchung zu schulen.
Wir teilten uns bei der Schulung mit Dr. Corinne Rindisbacher auf, welche die Fortbildung der inneren und allgemeinen Medizin übernahm, sodass wir den zweiten Teil der Woche noch mit den ortsansässigen Ärzten aus dem Andara Hospital verbrachten, um auch Ihnen noch ein paar Tipps mit auf den Weg zu geben.
Outreach
Das viel vorbesprochene und langersehnte Highlight folgte in der dritten Woche. Mit drei vollgepackten 4×4 Autos ging es auf in den namibischen Busch! Leider wurde die im Aufbau stehende Mobile-Clinic nicht rechtzeitig fertiggestellt, sodass wir die Untersuchungen in spontan umgebauten Klassenzimmern auf aneinander gereihten Kinderschreibtischen durchführten. Die Patientinnen schien dies nicht zu stören, was in Anbetracht der sonst fehlenden oder nur nach tagelangen Fussmärschen zu erreichenden medizinischen Versorgung definitiv nachvollziehbar war.
Extrem gespannt bin ich hier auf die Zukunft, wenn mit der Mobile Clinic die holprigen und engen Sandpisten abgefahren werden und die gynäkologische Grundversorgung insbesondere die Gebärmutterhalskrebsvorsorge direkt vor Ort gemacht werden kann. Der bei uns überall bekannte „Krebsabstrich“ ist etwas, was in Namibia, wenn überhaupt, nur die Frauen im Ballungsgebiet von Windhoek erhalten und auch da, kann kaum von einer regelmässigen Vorsorge gesprochen werden. Dies versucht Mudiro mit der Mobile Clinic, den gesponserten Apparaturen und Materialen und in Zusammenarbeit mit dem Staat zu ändern, sodass auch in Namibia, wie bereits in einigen umliegenden Ländern eine nachhaltige Krebsvorsorge durchgeführt werden kann.
Allgemeine Eindrücke
Als doch noch eher „junge“ Oberärztin, welche vor vier Jahren ihren Facharzt erlangt hat und die erste Zeit mit einer solch neuen Verantwortung noch gut in Erinnerung hat, ist es unvorstellbar, was die jungen Ärzte Namibias nach ihrer abgeschlossenen Grundausbildung bereits leisten müssen. Es sind Ärzte in Weiterbildung (vergleichbar mit unseren hiesigen Assistenzärzten), welche die Versorgung in diesen Bezirksspitäler aufrechterhalten und die Verantwortung tragen. Da ist es nicht erstaunlich, dass das Wissen zwar breit, aber teilweise dementsprechend oberflächlich ist.
Was bei uns in der Schweiz in der gynäkologischen und geburtshilflichen Grundausbildung als Standard dazu gehört und den jungen Ärzten direkt nach Staatsabgang und bei Antritt der ersten Stelle akribisch gelehrt wird, scheint in der namibischen Aus- und Weiterbildung kaum einen Stellenwert zu besitzen. Die Diagnostik mittels Ultraschall ist in unserer Frauenheilkunde kaum mehr weg zu denken. Und obwohl die besuchten Spitäler (insbesondere auch durch die Unterstützung von Mudiro) über erstaunlich moderne und gute Ultraschallgeräte und –Sonden verfügen, werden diese noch kaum für die weiterführende Diagnostik in der Gynäkologie und Geburtshilfe verwendet. Insbesondere die transvaginale Sonographie hat, im Gegensatz zu unseren Breitengraden, kaum einen Stellenwert. Wir hoffen sehr, dass wir mit unseren Teachings den lokalen Ärzten zeigen können, dass der Ultraschall ein sehr hilfreiches und relativ einfaches Tool ist und ihnen die „Angst“ vor dieser Untersuchung nehmen können. Insbesondere da die namibischen Patientinnen trotz der Intimität eines Vaginalultraschalls, dieser Untersuchung bei adäquater Erklärung und Durchführung sehr offen gegenüberstanden.
Dies scheint mir die perfekte Überleitung zu einem weiteren, leider sehr ernüchternden Eindruck zu sein: der Umgang mit den und die Aufklärung der Patientinnen. Für uns unvorstellbar wie die dortigen Kollegen/innen teilweise mit den Patientinnen umgehen. Es erfolgen kaum Erklärungen der Befunde oder Diagnosen und die Anweisungen der Patientinnen sind lieblos und fordernd. Beim Arbeitsaufwand, welcher für die jungen Ärzte anfällt, die in kleinen Teams das gesamte Spital abdecken, ist dies bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar und doch, so denke ich, gibt es hier viel Aufklärungsbedarf, gerade in einem solch intimen Fachgebiet wie der Frauenheilkunde.
Das i-Tüpfelchen
Eine Reise nach Namibia ohne Safari-Erlebnis wäre wohl keine richtige Reise in dieses Land. Ich bin sehr dankbar, dass Barbara und Mudiro uns ermöglicht die Wochenenden mit Ausflügen in die diversen Nationalparks zu verbringen. Dies bot eine willkommene Abwechslung zu den vielen, teilweise doch intensiven Eindrücken aus dem Spitalalltag. Ganz zu schweigen davon, dass es schlicht unvergessliche Erlebnisse sind, welche einem in dieser mir persönlich bis anhin so fremden Wildnis offenbart wurden!
~ Dr. Daphné Dougoud